In diesem Interview erzählt Elias Nolde, tätig für den Soziale Inklusion e.V. in Wetzlar, wie er EX-IN Trainer geworden ist, was die Arbeit als Trainer ausmacht und wie Corona seine Arbeit verändert.

TRIN: Herr Nolde, seit wann sind Sie EX-IN Trainer und wo?

Herr Nolde: Ich habe 2013 die EX-IN Trainerausbildung gemacht und gebe seit 2014 EX-IN Kurse. Mittlerweile habe ich insgesamt zehn Kurse betreut. Mich beschäftigt die Frage „Wie lassen sich Voraussetzungen und Strukturen schaffen, dass Menschen mit dieser Ausbildung auch bezahlt arbeiten gehen können?“ Im Rückschluss verändert diese Frage auch die Perspektive auf das Kursgeschehen – Was braucht es denn während der Ausbildung vielleicht schon an berufsvorbereitenden Maßnahmen, die im Hinblick darauf wichtig sein könnten?

TriN: Das spielt schon auf etliche Aspekte der Trainer-Ausbildung an. Bleiben wir noch bei Ihnen bzw. Ihrem Werdegang. Wie sind Sie EX-IN Trainer geworden? Was war Ihre Motivation?

Herr Nolde: Im Grunde gibt es drei Wege in die Trainer-Ausbildung: du gehst aus einer beruflichen Tätigkeit im Handlungsfeld Psychiatrie in die Trainer-Ausbildung. Dann bist du unter der „Profi-Perspektive“ unterwegs. Oder du hast selbst die Erfahrung einer seelischen Erschütterung gemacht und gehst dann als Experte aus Erfahrung in die Trainer-Ausbildung. Im besten Fall hast du auch einen EX-IN Kurs selber besucht. Dadurch kennst du als Trainer nämlich auch die Perspektive des Kursteilnehmers. Der dritte Weg ist, du bist ein oder eine Expertin aus Miterleben – also ein Angehöriger oder eine Angehörige. Dann gehst du über solche Punkte wie > Trialog-Erfahrung oder Selbsthilfebezüge in die Trainer-Ausbildung und vertrittst dann stärker den Angehörigenaspekt. Ich selbst habe die Erfahrung einer seelischen Erschütterung gemacht und einen EX-IN Kurs besucht. Diesen Betroffenen-Aspekt habe ich als Grundlage verwendet, um als Trainer zu arbeiten. Ich hätte auch mit der Profi-Perspektive herangehen können. Spannender fand ich jedoch meine Erfahrung als Betroffener einzubringen. Meine Motivation eine Trainer-Ausbildung zu machen, war der Gedanke: Was ist der Sinn einer seelischen Erschütterung? Welche Perspektiven im Leben entstehen vielleicht auch daraus? Und da fand ich, dass das Themenspektrum einer EX-IN Trainer-Ausbildung vieles zu bieten hat – auch über das Recovery-Konzept. Da gab es verschiedene biographische Schnittstellen, die mich in die Trainer-Ausbildung hineingebracht haben. Mir war es wichtig, ein Übungs-, Methoden- und Arbeitsfeld zu erfahren und durch diese Sinnbezüge mit der Erfahrung einer seelischen Erschütterung und ihrer Überwindung umzugehen.

TriN: Was macht denn ein EX-IN Trainer?

Herr Nolde: Er vermittelt die zentralen Modulinhalte. Der Kurs ist aufgebaut aus 12 Modulen zu unterschiedlichsten Themen. Er arbeitet mit einer spezifischen > EX-IN Kurs-Methodik zu diesen vielfältigen Themen. Diese können sein zum Beispiel: > Empowerment, > Recovery, > Erfahrung und > Teilhabe, Fürsprache, Begleitung und Beratung, Krisenintervention… also ein sehr breites Spektrum an Themen für Menschen in Krisen. Anhand des > Curriculums, das durch EX-IN Deutschland e.V. vorgegeben ist, vermittelst du als Trainer diese Kursinhalte. Du arbeitest auch in einer gewissen Form von Kursmethodik: Die Idee ist, die persönliche Erfahrung eines Menschen als Ausgangspunkt zu nehmen und in Form von > Ich-Wissen zu reflektieren. Jeder Mensch reflektiert sein Wissen, seine Erfahrungen in Form von Ich-Wissen. Gleichwohl entstehen auch ganz viele Lernsituationen, wo es um ein Ich-Du-Wissen geht. In einem Gespräch mit einem Gegenüber reflektiert man genau seine Erfahrung miteinander. Diese persönlichen und zweier-Erfahrungen werden dann übersetzt auf so eine allgemeine Ebene, die > Wir-Wissen genannt wird. Da geht es dann darum, welches > Erfahrungswissen zum Beispiel zur Bewältigung einer Krise im Kurs geteilt werden kann. Wenn man sich dann mit den vielfältigsten persönlichen Perspektiven und Reflexionen mit solch einem Thema beschäftigt, stellt man schnell fest, dass es ein reiches und tiefes Wissen um Fragen und Strategien der Bewältigung gibt. Dieses Wir-Wissen ist ein Alleinstellungsmerkmal der EX-IN Ausbildung. Es geht nicht nur allein um Bücherwissen, das wichtig ist und natürlich fließt es mit ein. Das eigentlich Wichtige in der Ausbildung sind die Menschen und ihre Erfahrungen. Manchmal kommt in dem Zusammenhang die Frage von außen an ausgebildete Genesungsbegleiter und Genesungsbegleiterinnen: „Kannst du nur Menschen mit dem gleichen Krankheitsbild begleiten?“ – das mag manchmal von Vorteil sein, keine Frage. Aber eben aufgrund dieser Kurserfahrung, dieser allgemeinen Reflexion von Bewältigungsstrategien, von Sinnbezügen, ist die Idee, dass du mit jedem zusammenarbeiten kannst. Bewältigung ist immer Bewältigung und hat immer mit den persönlichen Voraussetzungen eines Menschen in der Krise zu tun. Diese Individualisierung von Hilfeleistung hat was damit zu tun, dass ich mich selber reflektiert habe und mich auf den anderen Menschen beziehen kann.

TriN: Welche Voraussetzungen müssen denn bei einer Person erfüllt sein, die sich für eine EX-IN Trainer-Ausbildung interessiert?

Herr Nolde: Die drei Wege in die Ausbildung sind die Voraussetzungen, die formal für die Teilnahme an der Trainerausbildung vorliegen müssen. Entweder bist du 1. ein Experte aus Erfahrung, 2. ein Experte durch Ausbildung oder 3. ein Experte durch Miterleben, sprich du bringst die Angehörigenperspektive mit ein.

TriN: Welchen Rat können Sie Personen geben, die sich für eine EX-IN Trainerausbildung interessieren?

Herr Nolde: Ich würde es keinen Rat nennen. Aber etwas, was mir aus eigener Erfahrung wichtig ist: Man ist nie fertig gebacken. Man entwickelt sich permanent und ständig weiter, weil du in dieser Ausbildung in den fachlichen Bezügen nicht nur als > Trainer, sondern vor allem als auch Mensch präsent bist, gefragt und manchmal auch gefordert bist. Das hat sehr viel mit eigener Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Man muss sich selber reflektieren, hinterfragen können, sich gegenüber sein können und wollen, für die Menschen persönlich, aber auch für die Gruppe als Ganzes. Man muss Spaß an gruppendynamischen Begebenheiten haben, an mannigfaltigen Begegnungen und an dem Zauber von Vielfalt, der da entsteht… und an dem Geschenk des Zusammen-Lernens! Das macht für mich den Reiz meiner Arbeit aus. Ich mache das richtig gerne.

TriN: Das strukturgebende Moment in der Ausbildung scheint durch das Curriculum vorgegeben. Durch die Gruppenarbeit ergeben sich eher dynamische Veränderungen. Die Kurstage können sicherlich unterschiedlich aussehen?

Herr Nolde: Ja, das ergibt sich durch die unterschiedlichen Zuschnitte der > Module oder auch Modulthemen. Alle Module zielen darauf ab, eigene Erfahrung vielfältig zu hinterfragen und zu reflektieren. Gleichwohl sind die ersten fünf > Basis-Module stärker an der eigenen Erfahrung orientiert. Die folgenden sieben > Aufbau-Module fragen, was es an Handwerkszeug braucht, um damit zu arbeiten zu können, bzw. sprechen sie auch die Rollenklärung an. Welche Rollen entstehen da eigentlich? Wo steht Genesungsbegleitung zwischen Profi und Klient? Was bedeutet das für einen selbst als Erfahrener in diesen Kontexten zu arbeiten? Der Einsatz des Handwerkszeugs spielt später im Portfolio noch eine Rolle: Wo würdest du dich in der Arbeit verorten wollen? Was sind deine Voraussetzung, dein Ansatz, deine Qualitäten, die du mitbringst? Das sind Fragen, die während der Ausbildung schon geübt werden, zum Beispiel in kleinen Szenen oder Rollenspielen. Da wird geschaut, wie Rollen in einem bestimmten Setting aufeinanderprallen, wie man verhandelt und welche Lösungsstrategien gefunden werden können.

TriN: Die von Ihnen angesprochene Positionierung oder Rollenfindung scheint sehr wichtig und definitiv nicht selbsterklärend im Feld zu sein?

Herr Nolde: Als > EX-IN Trainer darf ich ein Entwicklungsbegleiter sein. Manchmal auch Entwicklungsanstifter. Die Arbeitsweise ist ja nicht frontal, sondern dialogisch begründet. Die Arbeitsweise ist interaktiv, Räume öffnend und Diskussionshorizonte aufspannend. Das ist wichtig, um Menschen einen sicheren Hafen zu bieten. Da bringt jeder seine Erfahrungsgeschichte, sein Päckchen mit. Einerseits muss ein sicherer Hafen entstehen. Andererseits muss auch diese Entwicklung möglich sein. Ganz viele Teilnehmer sagen, dass sie aus dieser Ausbildung ganz anders herausgehen, als sie hineingegangen sind. Und sie konnten und durften während der Ausbildung so sein, wie sie eben sind. Dieser Form der Akzeptanz, was es heißt, Mensch zu sein, zu erleben, Krisen zu erleben, zu zweifeln, vielleicht zu verzweifeln, aber auch Hoffnung zu schöpfen, neue Wege zu gestalten und dass das Leben wieder gelingen kann… das ist das Besondere an der Ausbildung.

TriN: Wie geht nun jemand vor, der sich für diese Ausbildung interessiert?

Herr Nolde: Ich würde als allererstes auf die Seite von > EX-IN Deutschland e.V. schauen, weil der bundesweit tätige Verein auch die > Kursinhalte sehr gut abgebildet hat. Man kann sich dort sehr gut darüber informieren, was das eigentlich für eine Ausbildung ist und warum das auch für mich wichtig sein kann. Es wird dort auf die verschiedenen > Ausbildungsstandorte eingegangen. Ich kann mir anschauen, wo der nächstgelegene Ausbildungsstandort in meiner Region ist. Dann würde ich mich immer mit dem Standort direkt in Verbindung setzen. Die meisten haben auch eine eigene Homepage, wo man direkt mit den dortigen Trainern oder Veranstaltern in Kontakt treten kann.

TriN: Wie ist dann das weitere Prozedere? Gibt es eine Motivationsabfrage des Anbieters oder ein Bewerbungsgespräch?

Herr Nolde: Ab dem Punkt, wo mich diese Ausbildung konkret interessiert und ich mich auch bewerbe, muss ich einen > Bewerbungsbogen bearbeiten. Dieser ist einheitlich für den EX-IN Kurs. Dieser Bewerbungsbogen regt mich schon an, a) meine konkrete Motivation zu hinterfragen, b) zu schauen, was bringe ich lebensgeschichtlich mit, was sind meine Ausbildungswünsche vielleicht an die Trainer, wie groß ist meine Offenheit meine Erfahrungen in der Gruppe zu teilen, wie sehen die Möglichkeiten aus auch in dieser Kontinuität von 12 Monaten plus den Praktika, die zu leisten sind, plus Portfolio, was zu schreiben ist – all das auch für mich gut gewährleisten zu können. Wichtig ist auch zu überprüfen, wo ich mir privat Unterstützung während der Ausbildungszeit holen kann. All das wird im Bewerbungsbogen hinterfragt. Sobald er ausgefüllt ist, laden mich die Trainer und Trainerinnen zu einem Bewerbungsgespräch ein. Das ist dann auch die Möglichkeit sich kennenzulernen und zu schauen, wie die Kursreise gemeinsam funktionieren könnte. Denn der Kurs ist zwar eine persönliche Reise, aber auch eine Reise in der Gruppe. Nach diesem Bewerbungsverfahren ist dann schnell klar, ob das passt und die ersten Termine werden bekannt gegeben. Dann geht es auch schon los!

TriN: Wie sieht denn die Ausbildung momentan aufgrund der Coronavirus-bedingten Lage aus?

Herr Nolde: Na ja, Corona bedeutet schon einen gravierenden Einschnitt in die Ausbildung, ob und wie ein Kurs veranstaltet werden kann. Entweder mussten neue Kurse nach hinten geschoben werden, weil der Start von neuen Kursen überhaupt nicht möglich war. Oder sei es, dass Kurse nicht abgeschlossen werden können. Ich selbst bin Trainer in zwei Kursen, wo quasi nur noch das Abschlussmodul fehlt. Natürlich ändert sich dadurch auch die Kommunikation mit Menschen, die man im Kurs normalerweise sehr eng begleiten kann. Es ist schon ein Unterschied, ob man sich im nächsten Monat zusammentrifft für ein Modul oder drei Monate in der Dauerschleife hängt. Aber trotz allem versuchen wir über verschiedene Tools mit den Kursteilnehmern in Kontakt zu bleiben, um den Gesprächsfaden aufrecht zu erhalten. Diese virtuellen Treffen können zwar nicht den Kurs ersetzen, dennoch bieten sie die Möglichkeit der Kommunikation. Aber der Einschnitt durch Corona ist definitiv gravierend… Diese persönliche Begegnungsebene im Kurs auf den virtuellen Raum zu übersetzen, ist sehr schwierig. Das kann ich mir nicht vorstellen, wie das gehen soll. Beispielsweise bei einem Abschlussmodul, wo die Teilnehmer eine Präsentation zu halten haben, was eine Feierlichkeit hat und etwas ganz Besonderes darstellt – also dieser intime Rahmen, der eben dieses Modul hat, ist schwer zu übersetzen in ein virtuelles Modul. Trotzdem finde ich den Versuch essentiell, den Kontakt aufrecht zu erhalten, sich auszutauschen, was macht Corona eigentlich mit mir… Es betrifft uns alle. Diese Betroffenheit kann mit anderen Kursteilnehmern ausgetauscht werden.

TriN: Was wäre Ihnen wichtig für die EX-IN Trainerausbildung?

Herr Nolde: Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Bekanntheit von EX-IN wesentlich breiter, weil dieser > Peer-Ansatz etablierter ist und wesentlich länger angewandt wird. Auch die positiven Wirkungen von > Genesungsbegleitung sind empirisch nachweisbar. Genesungsbegleitung ist eine wichtige und wertvolle Ergänzung innerhalb des sozialpsychiatrischen Hilfesystems in Form von personenorientierter und –zentrierter, individualisierter, verstehensbasierter Unterstützungsleistung. Es lohnt sich für die Klienten und Patienten, aber auch für die Teams und die Institutionen, weil dadurch wichtige Aspekte von Empowerment und Recovery in die eigenen Institutionen Einzug erhalten. Sie werden reflektierbar und ansprechbar. Auch für Genesungsbegleiter lohnt es sich im Hinblick auf Selbstwirksamkeit, Verberuflichung und das eigene Empowerment. Da wünsche ich mir noch mehr Bekanntheit für diesen Ansatz. Das verändert sich derzeit schon durch eine sehr gute > Öffentlichkeitsarbeit von EX-IN Deutschland e.V., der das Thema auf eine sehr gute Art und Weise in die Öffentlichkeit bringt und vertritt. Auch durch das > Bundesteilhabegesetz, wo der Peer-Ansatz explizit und sehr prominent benannt ist als unabdingbare Voraussetzung von Teilhabe, hat sich etwas verändert. Diese Entwicklungen deuten bereits darauf hin, dass Genesungsbegleitung und der Peer-Ansatz zunehmend stärkere gesellschaftliche Relevanz haben werden.

TriN: Abschließend – was wünschen Sie sich für das Projekt TriN?

Herr Nolde: Ich wünsche mir für TriN noch mehr Bekanntheit und dass TriN auch zukünftig eine wichtige und innovative Plattform für Teilhabe und Vernetzung darstellt. Wenn sich darüber deutschlandweit zu den Themen der Genesungsbegleitung und dem gesamten Spektrum, dass da dranhängt, vernetzen lässt, Ansprechpartner finden lassen… so können der momentane Fahrtwind des Projektes und seine Energie erfahrbar und erlebbar für alle werden.

TriN: Herzlichen Dank Herr Nolde!